Al-Jazeera-Schließung in Israel: Kritik von UNO und NGOs

von Al-Jazeera-Schließung in Israel: Kritik von UNO und NGOs © Bild: APA/APA/AFP/AHMAD GHARABLI

Archivbild aus dem Al-Jazeera-Büro in Jerusalem

Israel hat den arabischen TV-Sender Al Jazeera im Land am Sonntag geschlossen. Die Regierung will die Tätigkeit des im Golfemirat Katar ansässigen TV-Netzwerks in Israel unterbinden, weil deren Korrespondenten "der Sicherheit Israels geschadet und gegen israelische Soldaten gehetzt" hätten. Al Jazeera wies Vorwürfe der Voreingenommenheit zurück. Kritik kam von internationale Organisationen, die sich für Presse- und Meinungsfreiheit einsetzen, sowie vom UNO-Menschenrechtsbüro.

Al Jazeera zufolge nahmen israelische Kabel- und Satellitennetzanbieter den Sender aus ihren Angeboten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warf dem Sender vor, ein "Sprachrohr" der radikalislamischen Terrorgruppe Hamas zu sein. Es sei an der Zeit, dieses "aus dem Land zu werfen". Netanyahu hatte bereits vor mehr als einem Monat eine rasche Schließung des im Golfemirat Katar ansässigen TV-Netzwerk in Israel angekündigt.

Das Parlament hatte zuvor das sogenannte Al-Jazeera-Gesetz gebilligt. Dieses ermöglicht eine Schließung ausländischer TV-Sender, wenn diese als Risiko für die Staatssicherheit eingestuft werden. Netanyahu hatte den Sender vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs schon mehrmals bezichtigt, "aktiv am Massaker am 7. Oktober teilgenommen" zu haben. Israels nationalreligiöse Regierung sprach schon länger von einer voreingenommenen Berichterstattung und beschuldigt den Sender, arabische Zuschauer gegen das Land aufzuhetzen.

Al-Jazeera hat seit Beginn des Gaza-Kriegs ausführlich über die katastrophale Lage im Gazastreifen berichtet und Bilder von Tod und Zerstörung gezeigt, die in israelischen TV-Sendern kaum zu sehen sind. Der Sender zeigt auch regelmäßig Videos des militärischen Hamas-Arms, der Qassam-Brigaden, von Angriffen auf israelische Soldaten.

Israelische Polizeieinheiten durchsuchten am Nachmittag Medienberichten zufolge ein Zimmer im Jerusalemer Hotel "Ambassador", das dort faktisch als Büro des Senders dient. Im Internet waren Videoaufnahmen zu sehen, auf denen mutmaßliche Zivilbeamte dabei sind, die Kameraausrüstung abbauen. Das israelische Kommunikationsministerium bestätigte die Beschlagnahmungen.

Israel erklärte, die Maßnahmen gegen den Sender umfassten die Schließung von dessen Büros in Israel, die Beschlagnahmung von Sendeanlagen, die Trennung des Senders von Kabel- und Satellitenanbietern und die Sperrung seiner Websites. Das entsprechende israelische Gesetz erlaubt es, die Büros des Senders in Israel für 45 Tage zu schließen. Der Zeitraum kann auch verlängert werden und könnte damit auch bis zum Ende einer angekündigten Offensive Israels auf die Stadt Rafah im Gazastreifen in Kraft bleiben. Verbündete Israels wie die USA haben Netanyahu aufgefordert, auf eine Offensive dort zu verzichten. In die Stadt an der Grenze zu Ägypten haben sich viele Palästinenser aus dem Gazastreifen geflüchtet. Derzeit leben dort etwa 1,2 Millionen Menschen auf engstem Raum.

Der Sender sprach nach der Verbotsverfügung der Regierung am Sonntag in einer Stellungnahme von "Verleumdung". Israel versuche systematisch, den Sender zum Schweigen zu bringen. "Das Al-Jazeera-Medien-Netzwerk verurteilt diesen kriminellen Akt aufs Schärfste, der die Menschenrechte und das grundlegende Recht auf Zugang zu Informationen verletzt." Zugleich behielt sich der Sender rechtliche Schritte vor. Der Nachrichtenkanal pochte darauf, "der Öffentlichkeit unser Angebot weltweit zur Verfügung zu stellen, so wie es in internationalen Übereinkommen verankert ist." Man werde mit allen Mitteln gegen den Schritt vorgehen und die Rechte des Senders sowie die Mitarbeiter verteidigen.

Al Jazeera wurde 1996 in Doha gegründet und galt als einer der ersten arabischen TV-Sender, der auch kritische Berichte über die Region veröffentlichte. Damit gewann er schnell an Popularität in der arabischen Welt. Kritiker werfen Al Jazeera dagegen vor, der Hamas nahe zu stehen. Katar selbst galt vor Ausbruch des Gaza-Kriegs als einer der wichtigsten finanziellen Unterstützer der Terrororganisation. In Doha leben auch Spitzenvertreter der Hamas.

Der israelische Kommunikationsminister Shlomo Karhi sagte, er habe die Schließungsanordnung unterzeichnet und diese werde sofort umgesetzt. Damit könnten nach Medienberichten Büroräume in Israel geschlossen, die Sendeausrüstung beschlagnahmt, der Sender aus dem Programm der Anbieter von Kabel- und Satellitenfernsehen entfernt und seine Internetseite blockiert werden.

Die im israelischen Sicherheitskabinett vertretene Partei Nationale Union von Benny Gantz zeigte sich mit der Schließung einverstanden, kritisierte aber den Zeitpunkt. Es handle sich um ein "schreckliches Timing", das die gegenwärtig laufenden indirekten Verhandlungen mit der Hamas über eine Freilassung von Geiseln und Waffenruhe im Gaza-Krieg torpedieren könnte, erklärte die Mitte-Rechts-Partei.

Das vom Österreicher Volker Türk geleitete UNO-Menschenrechtsbüro kritisierte die Schließung. "Wir bedauern die Entscheidung des Kabinetts, Al Jazeera in Israel zu schließen", hieß es auf der Plattform X. "Freie und unabhängige Medien sind wichtig, um Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Dies gilt umso mehr angesichts der strengen Beschränkungen für die Berichterstattung aus Gaza." Freie Meinungsäußerung sei ein zentrales Menschenrecht. "Wir fordern die Regierung dringend auf, das Verbot aufzuheben." Ein weiterer UNO-Sprecher erklärte in New York: "Wir stehen fest gegen jede Entscheidung, die Pressefreiheit zurückzufahren. Die freie Presse leistet einen Dienst von unschätzbarem Wert, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit informiert und engagiert ist."

Die US-Regierung hatte schon zu Anfang irritiert auf die Pläne des engen Verbündeten reagiert. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man unterstütze die freie Presse überall auf der Welt.

Zwei führende internationale Organisationen, die sich für Presse- und Meinungsfreiheit einsetzen, verurteilten die Maßnahme. "Dieser Schritt stellt einen äußerst alarmierenden Präzedenzfall für die Einschränkung der Arbeit internationaler Medien in Israel dar", schrieb das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (Committee to Protect Journalists/CPJ). CPJ forderte, Israels Regierung müsse dem Sender und auch allen anderen internationalen Medien erlauben, sich frei in Israel zu betätigen. Dies gelte vor allem in Kriegszeiten.

Die in Frankreich beheimatete und weltweit agierende Organisation Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontière/RSF) erklärte über die Plattform X, vormals Twitter: "RSF verurteilt aufs Schärfste eine freiheitsbedrohende Gesetzgebung, die ein TV-Netzwerk wegen seiner Berichterstattung über den Krieg im Gazastreifen zensiert."

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.