Rückzug von AfD-EU-Kandidat Krah aus Wahlkampf und Vorstand

von Rückzug von AfD-EU-Kandidat Krah aus Wahlkampf und Vorstand © Bild: APA/APA/dpa/Michael Kappeler

Krahs Aussagen zur SS sorgten für Unmut in Frankreich

Gut zwei Wochen vor der Europawahl bricht die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Der Bundesvorstand habe ein Auftrittsverbot für Krah verhängt, teilte ein Parteisprecher am Mittwoch mit. Krah selbst erklärte auf der Plattform X, er verzichte auf weitere Wahlkampfauftritte und trete als Mitglied des Bundesvorstands zurück. Hintergrund sind umstrittene Äußerungen Krahs zur SS und ein darüber entbrannter Streit mit der französischen Rassemblement National.

Wie es nun mit dem Europawahlkampf der AfD weitergeht, ist unklar. Die Wahl ist in Deutschland am 9. Juni. Auch die Nummer zwei auf der Europaliste, Petr Bystron, soll wegen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen nach dem Willen der Parteispitze nicht mehr auftreten. Beide Kandidaten sind seit Wochen wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in den Schlagzeilen. Staatsanwaltschaften prüfen laut Medienberichten mögliche Geldzahlungen bei beiden Politikern. Zudem wurde ein Mitarbeiter Krahs wegen mutmaßlicher Spionage für China verhaftet.

Stein des Anstoßes war nun ein Interview Krahs mit der italienischen Zeitung "La Repubblica". Krah hatte gesagt, nicht alle Mitglieder der SS seien kriminell gewesen. "Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war", sagte Krah der Zeitung. Auf die Frage, ob die SS Kriegsverbrecher seien, antwortete er: "Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell." Die nationalsozialistische SS bewachte und verwaltete unter anderem die Konzentrationslager und war maßgeblich für Kriegsverbrechen verantwortlich. Bei den Nürnberger Prozessen nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie zu einer verbrecherischen Organisation erklärt.

Der Rassemblement National (RN) hatte nach dem Interview angekündigt, künftig nicht mehr in einer Fraktion mit der AfD im Europaparlament zusammenarbeiten zu wollen. Beide Parteien sitzen dort bisher gemeinsam mit der FPÖ in der Rechtsfraktion ID (Identität und Demokratie). RN-Parteichef Jordan Bardella begründete die Entscheidung seiner Partei im Sender TF1: "Ich denke, dass die AfD, mit der wir im Europäischen Parlament seit fünf Jahren zusammengearbeitet haben, Linien überschritten hat, die für mich rote Linien sind." Nach der Wahl werde man deshalb neue Verbündete haben und nicht mehr an der Seite der AfD sitzen.

Die AfD-Spitze sprach in einer Stellungnahme nach Beratungen im Bundesvorstand und mit den Landesverbänden von einem "konstruktiven" Austausch mit Krah, übte aber Kritik. "Im Ergebnis wurde ein massiver Schaden für die Partei im laufenden Wahlkampf festgestellt, für den der Spitzenkandidat den Vorwand geliefert hat", heißt es darin. Krah habe mitgeteilt, die politische Verantwortung zu übernehmen, sein Mandat im Bundesvorstand sofort niederzulegen und im Wahlkampf nicht mehr aufzutreten. "Dieser konsequente Rückzug aus der Öffentlichkeit wurde mehrheitlich begrüßt", heißt es.

Die AfD-Spitze hat Krah damit nicht des Amtes als Spitzenkandidat für die Europawahl enthoben. Die rechtspopulistische Partei war in bundesweiten Umfragen zuletzt deutlich zurückgefallen, liegt aber immer noch an zweiter oder dritter Stelle. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte kürzlich bestätigt, dass der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall beobachten darf und eine Berufung der Partei dagegen abgewiesen. Zur Begründung hieß es, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass die AfD Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip verfolge.

Die hessischen AfD-Landesvorsitzenden Robert Lambrou und Andreas Lichert forderten laut einem Bericht der "Welt" indes weitergehende Maßnahmen gegen Krah und Bystron. In einem Antrag, der am Mittwochmorgen an den Bundesvorstand geschickt worden war, heißt es nach Informationen der Zeitung, dass beiden die Mitgliedsrechte entzogen werden sollten.

Krah selbst erklärte auf X: "Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Ich nehme zur Kenntnis, dass sachliche und differenzierte Aussagen von mir als Vorwand missbraucht werden, um unserer Partei zu schaden. Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist eine Debatte um mich. Die AfD muss ihre Einigkeit bewahren. Aus diesem Grunde verzichte ich ab sofort auf weitere Wahlkampfauftritte und trete als Mitglied des Bundesvorstands zurück."

Krah stammt aus dem sächsischen AfD-Landesverband. Er gilt als Vertrauter des thüringischen AfD-Landeschefs Björn Höcke. Die AfD-Spitze um die Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla hatten bereits in den vergangenen Wochen Distanz zu Krah erkennen lassen.

Bei Krah überprüfen Staatsanwaltschaften laut Medienberichten, ob es Ermittlungen wegen möglicher chinesischer Zahlungen geben soll. Der sächsische AfD-Politiker ist nach Aussagen kritischer Parteikollegen in der Vergangenheit immer wieder mit prochinesischen Äußerungen und Aktivitäten aufgefallen. Die sogenannten Vorermittlungsverfahren werden im Fall Krahs von der Staatsanwaltschaft Dresden geführt, im Falle Bystrons gibt es ein ähnliches Verfahren in München. Beide Politiker haben gegenüber der AfD-Spitze versichert, kein Geld genommen zu haben.

Nach einem Krisengespräch mit Weidel und Chrupalla hatte Krah bereits seine Teilnahme am Wahlkampfauftakt der AfD am 27. April in Donaueschingen abgesagt. Später nahm er die Auftritte aber wieder auf.

Einige rechte Parteien in Europa hadern schon seit Monaten mit der AfD. Nach den Enthüllungen des Medienhauses Correctiv über ein Rechtsradikalen-Treffen in Potsdam im Jänner hatte Marine Le Pen deutliche Kritik geäußert. Es gab ein Krisentreffen mit Weidel.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von den ultrarechten Fratelli d'Italia hatte sich Anfang des Jahres von der AfD distanziert. Sie sprach von "unüberbrückbaren Differenzen" und bezog sich damals vor allem auf die Beziehungen der AfD zu Russland. Die Fratelli gehören in Europa aber nicht der ID an, sondern der Partei Europäische Konservative und Reformer (EKR).

Italienischer Partner in der ID ist die rechte Lega von Matteo Salvini. Dieser äußerte sich zunächst nicht zu Krahs jüngsten Äußerungen. Die italienische Nachrichtenagentur ANSA zitierte jedoch am Dienstagabend die Delegation der Lega im Europäischen Parlament so: "Wie immer sind Matteo Salvini und Marine Le Pen perfekt aufeinander abgestimmt und in Übereinstimmung."

Seitens des FPÖ-Parlamentsklubs hieß es am Mittwochnachmittag gegenüber der APA, die Frage zu konkreten Zusammenarbeiten stelle sich nach dem Wahltag. Die FPÖ strebe ein möglichst breites patriotisches Bündnis an. "Maximilian Krah hat nach seinen Aussagen die Konsequenzen gezogen. Das ist ein klares Zeichen."