Adoptionen: Geschlecht der Eltern
für Kindeswohl nicht entscheidend

Homosexuelle Paare können genauso gute Eltern sein, stellt Experte Datler klar

von Gleichstellung - Adoptionen: Geschlecht der Eltern
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Begrüßen Sie aus Ihrer professionellen Sicht die Aufhebung des Adoptionsverbots für homosexuelle Paare?
Ich habe zumindest keinen fachlichen Einwand dagegen.

Das VfGH-Urteil war also kein „schwarzer Tag für die Kinder“, wie es manche politische Stimmen kommentiert haben?
Das kann man so generell sicher nicht sagen.

Macht es denn keinen Unterschied für die Entwicklung eines Kindes, welches Geschlecht seine Eltern haben?
Alles, was einem Kind im Lauf seines Lebens begegnet, beeinflusst seine Entwicklung. Insofern ist die Frage zu einfach gestellt und wird auch viel zu einfach öffentlich diskutiert.

Welche Frage müsste man dann eigentlich diskutieren?
Welche Beziehungserfahrungen machen Kinder mit ihren Eltern, welche mit anderen Mitgliedern ihrer Familie? Welche außerhalb der Familie, wie ist hier das Zusammenspiel, was wird ihnen insgesamt vermittelt?

Wird in der öffentlichen Debatte des Themas die Rolle der Eltern vielleicht sogar überschätzt, weil es ohnehin so viele andere Einflusspersonen gibt?
Nein, aber sie wird zu sehr vereinfacht. Ich würde gerne etwas Grundsätzliches deponieren. In den öffentlichen Debatten wird ja immer wieder auf verschiedene Studien Bezug genommen. Diese Studien sind aber sehr spärlich und die Ergebnisse widersprüchlich.

Zusätzlich wird in der öffentlichen Diskussion der Studienergebnisse oft der grobe Fehler gemacht, auf Kausalzusammenhänge zu schließen. Nur weil sich ein Kind, das bei einem homosexuellen Paar aufwächst, in einem oder mehreren Punkten von einem unterscheidet, das bei einem heterosexuellen Paar aufwächst, heißt das nicht, dass die sexuelle Orientierung der Eltern auch der Grund für diesen Unterschied sein muss.

»Individuelle Erfahrungen sind entscheidend«

Sondern?
Die Erfahrungen, die Kinder im Lauf ihres Lebens höchst individuell machen, haben entscheidende Bedeutung für ihre Entwicklung. Wenn Kinder im Laufe der Zeit rüde, unfreundliche, nicht Sicherheit gebende Beziehungserfahrungen geradezu anhäufen, ist das eine erhebliche Entwicklungsbelastung – unabhängig vom Geschlecht ihrer Eltern. Wie das Umfeld dieser Familie darauf reagiert, wie die Beziehungserfahrungen innerhalb der Familie sind, welches Bild von Homo- und Heterosexualität dem Kind vermittelt wird, welche Bedeutung darüber, dass es jetzt ein Bub oder ein Mädchen ist, dem Kind tagtäglich vermittelt wird: Das sind entscheidende Faktoren, die die Entwicklung beeinflussen.

Das Geschlecht der Eltern spielt also keine Rolle?
Der Forschungsstand erlaubt jedenfalls nicht die Ableitung, dass es ein grundsätzliches Entwicklungsrisiko für ein Kind ist, bei einem erwachsenen Paar aufzuwachsen, in dem beide Eltern das gleiche Geschlecht und eine homosexuelle Beziehung zueinander haben.

Die sexuelle Orientierung der Eltern ist die eine Sache. Aber fehlt nicht ein geschlechtliches Rollenvorbild, wenn zum Beispiel ein Bub bei zwei Frauen aufwächst? Die Geschlechtsidentität entwickelt sich ja bereits sehr früh.
Die Persönlichkeit des Kindes, die inneren Bilder, Einstellungen und Haltungen, die es entwickelt, hängen nicht nur von den direkten Interaktionserfahrungen oder Beobachtungen ab, die es mit seinen Eltern macht. Wichtig ist, dass es bereits sehr früh die Möglichkeit hat, unterschiedliche Erfahrungen mit unterschiedlichen Menschen zu machen. Dass ihm in vielgestaltiger Weise vermittelt wird, wie unterschiedlich Menschen sind. Dass es in einer Atmosphäre aufwächst, in der das, was es beschäftigt - auch was Geschlechtlichkeit und Sexualität betrifft – verständnisvoll aufgenommen und besprochen wird. Und wenn sie in diesem Sinn nicht nur in einer Familie sondern in einer Welt aufwachsen, in der ihnen vermittelt wird, dass es heterosexuelle Menschen gibt, die auch in der Lage sind, Kinder durch den Geschlechtsverkehr zu zeugen; dass es heterosexuelle Paare gibt, denen das - obwohl sie es sich wünschen - aus verschiedenen Gründen nicht gelingt und dass es homosexuelle Paare gibt, die zwar keine Kinder zeugen können, aber trotzdem in der Lage sind, für Kinder Sorge zu tragen, dann ist das sicherlich hilfreicher, als wenn ein Kind in einer Atmosphäre aufwächst, in der die vielen Möglichkeiten des menschlichen Zusammenlebens, auch in Liebe und in Sexualität, zumindest partiell tabuisiert werden.

»Sicherheit und Verlässlichkeit zählen«

Es ist wichtig, dabei von früh auf ein Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit zu erleben. Insbesondere in den Beziehungen zu den Erwachsenen, die für es primär verantwortlich sind.

Aber die Abwesenheit zum Beispiel einer Mutter im Fall einer Adoption durch zwei homosexuelle Männer muss sich doch auswirken?
Tragen für den adoptierten Säugling zwei Männer respektive zwei Frauen die Verantwortung, macht er natürlich unterschiedliche Erfahrungen: In seinem Alltag finden sich in geringerem Ausmaß männliche bzw. weibliche Stimmen; er macht geringere Erfahrungen damit, wie es sich anfühlt, an einen weiblichen oder männlichen Oberkörper angeschmiegt zu sein und er macht vielleicht auch keine Erfahrung damit, wie sich "männliches" oder "weibliches" Spielen anfühlt. Allerdings darf der biologische Aspekt nicht zu stark gewichtet werden: Hält man sich vor Augen, wie stark sich die Erfahrungen unterscheiden, die Säuglinge in traditionellen Familien mit Vater und Mutter machen, so ist Zurückhaltung geboten, wenn aus der Abwesenheit eines biologisch weiblichen oder männlichen Elternteils Folgerungen für die Entwicklung von Kindern abgeleitet werden.

Um es zuzuspitzen: Ich würde mir um ein Kind große Sorgen machen, das bei einem heterosexuellen Vater-Mutter-Paar aufwächst, das geradezu militant gegen homosexuelle Beziehungen eingestellt ist. Genauso würde ich mir Sorgen machen, wenn ein Kind bei einem militant homosexuellen Paar aufwächst, das voll Feindseligkeit Heterosexualität gegenüber ist. In dieser Diskussion, die manchmal sehr feindselig geführt wird, tritt viel zu stark in den Hintergrund, was die grundlegenden, entwicklungsfördernden Bedingungen für ein Kind sind.

Welche wären denn das?
Dass ein Kind bereits in früher Kindheit mit zumindest einer Bezugsperson in einer sehr stabilen Beziehung aufwächst, in der es Verlässlichkeit, Stabilität, Liebe und Verständnis erfährt. Es ist auch förderlich, wenn das Kind dabei nicht nur auf eine Person angewiesen ist sondern die Möglichkeit hat, zu mehreren Menschen eine solch intensive, enge, vertrauensvolle Beziehung zu entwickeln. Es ist förderlich, wenn dem Kind so viel Stabilität und Sicherheit vermittelt wird, dass es Interesse entwickelt an dem, was es an Vielgestaltigkeit in der Welt vorfindet. All das kann einem Kind vermittelt werden, wenn es mit einem Erwachsenenpaar zu tun hat, das heterosexuell oder homosexuell ist, das miteinander verheiratet ist oder nicht.

»Angst, Weltanschauungen zu vertreten«

Wie beurteilen Sie denn die öffentliche Diskussion des Themas?
Ich würde eine klarere Unterscheidung zwischen dem, was wissenschaftlich fundiert ist, und dem, was weltanschaulich vorgetragen wird, bevorzugen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich Personen oder auch Personengruppen gar nicht recht trauen, eine bestimmte Position explizit weltanschaulich zu vertreten. Als wäre es unanständig. Und um nicht in den Verdacht zu kommen, werden dann sehr oft wissenschaftliche Ergebnisse missinterpretiert, um zu verdecken, dass es letztlich eine weltanschauliche Position ist, die vertreten wird.

Etwas anderes darf man in der Diskussion - vor allem, wenn es um die angebliche Überlegenheit von homosexuellen Beziehungen geht – auch nicht vergessen: In Österreich ist es für gleichgeschlechtliche Paare noch eher schwierig, mit einem Kind zusammenzuleben. Deshalb sind es bislang über weite Strecken Paare, die sehr bewusst und wohlüberlegt eine Familie gegründet haben. Das unterscheidet diese Familien schon einmal von vielen anderen, in denen die Entscheidung, Kinder zu bekommen, oft nicht so sorgfältig geplant getroffen wird. Wenn homosexuelle Paare künftig weniger rechtliche oder auch gesellschaftliche Hürden zu überwinden haben, um mit einem Kind zusammenzuleben, wird sich die Art und Weise, wie es Kindern in diesen Familien geht, ähnlich weit streuen, wie es das auch sonst in Familien tut.

Was bedeutet das?
Nun, man darf eines nicht vergessen: Die Qualität des Aufwachens von Kindern in der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie ist sehr unterschiedlich und in manchen dieser Familien geht es Kindern elendiglich. Von Vernachlässigung und geringer Fürsorge bis hin zu Missbrauch der unterschiedlichsten Art. Und es wäre naiv zu glauben, in einer Familie mit homosexuellen Eltern wird es so etwas nie und nimmer geben. Das Geschehen in Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen wird sich angleichen an das innerfamiliäre Leben, das man so auch bei heterosexuellen Eltern vorfindet.

»Zu wenig Unterstützung«

Aus all dem folgt übrigens, dass man sich aus fachlicher Sicht weniger Gedanken machen sollte, ob es gleichsam ein Vergehen an den Kindern wäre, die Adoption durch homosexuelle Paare zuzulassen. Es wäre viel bedeutsamer die Diskussion darauf zu fokussieren, welche Unterstützung Kinder oder Familien mit Kindern egal welcher Zusammensetzung überhaupt brauchen. Und wie gering immer noch die finanziellen Mittel etwa für Familien in Krisen- oder Belastungssituationen in Österreich sind. Das sind die viel dringenderen Aspekte, die viel dringenderen Themen.

Gibt es denn so ein großes Defizit in diesem Bereich?
Ja! Kinder, die einen dringenden Beratungs- oder sogar Psychotherapiebedarf haben, haben kein grundsätzliches Anrecht auf öffentliche Finanzierung einer solchen Beratung oder Therapie. Wenn sie Glück haben und an einem Ort wohnen, an dem es eine öffentliche Versorgung gibt, ist das fein. Wenn sie dort einen Platz bekommen, ist das auch fein. Aber ich kenne zuhauf Kinder und Familien, die dringend entsprechender Unterstützung bedürfen, aber lange darauf warten müssen, weil dieser Bereich immer noch nicht ausreichend finanziert ist. Worauf Organisationen wie etwa die „Liga für das Kind“ kontinuierlich hinweisen.

Kommentare

na wenns der EXPERTE sagt, dann wirds ja wohl stimmen ... schaut euch doch an WAS die experten so alles sagen .und vor allem .... was dann so alles stimmt... wenn ich nru an die experten VOR dem eu beitritt denke, WIE toll es uns dann geht wen wir erst nur dabei sind..... muss ich NOCH mehr schreiben ??????

Weil wir sonst keine anderen Probleme haben.
Arbeitslosigkeit, Staatsschulden, die Wirtschaft liegt danieder....
Das kann doch nur ein Nebenthema sein und bei entsprechendem Willen in kurzer Zeit erledigt sein.

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