405 Millionen-Euro-Deal: Die ÖBB fixieren den Kauf von ungarischer MAV Cargo

Ungarn: Kaufvertrag in Budapest unterzeichnet Investition soll sich in rund zehn Jahren rechnen

Die ÖBB übernimmt die Güterverkehrstochter der ungarischen Staatsbahn, die MAV Cargo, um 102,5 Mrd. Forint (405 Mio. Euro). Der Privatisierungsvertrag wurde in Budapest unterzeichnet. Käufer ist ein Konsortium der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria und der mehrheitlich ungarischen Raaber Bahn. Damit hat die ÖBB erstmals eine ausländische Bahngesellschaft erworben.

Dieser Schritt sei für die ÖBB von größter strategischer Bedeutung, betonte der Chef der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria (RCA), Ferdinand Schmidt, im Gespräch mit der APA. Schon jetzt würden drei Viertel des gesamten ÖBB-Gütertransports von 100 Millionen Tonnen im grenzüberschreitenden Verkehr befördert. Durch die MAV Cargo werde das Transportvolumen der RCA um die Hälfte größer, und es werde eine ununterbrochene Verbindung in die Ukraine, ans Schwarze Meer und auf den Balkan geben. "Die Ost-West-Achse wird immer bedeutender. Es ist wichtig, dass man durchgehende Verbindungen anbieten kann."

Raaber Bahn-Beteiligung
Die Beteiligung der Raaber Bahn an der MAV Cargo wird laut Schmidt zwischen 10 und 25 Prozent betragen - das genaue Ausmaß soll im Frühjahr festgelegt werden. Dem entsprechend werde auch der Anteil der Raaber Bahn am Kaufpreis ausfallen. Die ÖBB werden zunächst alles vorfinanzieren und danach von der Raaber Bahn deren Anteil am Kaufpreis erhalten.

Übernahme-Kritik
Die im Vorfeld der Übernahme geäußerte Kritik, wonach die ÖBB für die MAV Cargo einen weit überhöhten Preis bezahle, wollte Schmidt nicht gelten lassen. "Hätten wir uns gar nicht an der Ausschreibung beteiligt, dann hätte man gesagt: Die schlafen. Hätten wir einen zu niedrigen Preis geboten und wären nicht zum Zug gekommen, hätte es geheißen: Die können ihre Konkurrenz nicht einschätzen."

Tatsächlich kaufe man mit der MAV Cargo auch rund 9.000 Güterwaggons ein, die noch 20 Jahre verwendet werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass die Preise für neue Waggons in den vergangenen zwei Jahren um 40 Prozent auf 80.000 bis 100.000 Euro pro Stück gestiegen seien - "das Geschäft wird von wenigen Anbietern kontrolliert" - würden diese Waggons ein wertvolles Asset darstellen. Insgesamt verfügt die MAV Cargo über 13.000 Waggons, damit werden der RCA nach eigenen Angaben künftig 32.000 Waggons zur Verfügung stehen. Derzeit investiert die RCA rund 400 Mio. Euro in mehr als 5.000 neue Wagen, 2011 soll das Programm abgeschlossen sein.

Investition rechnet sich in 10 Jahren
Schmidt geht davon aus, dass man die Investition in den Erwerb der MAV Cargo etwa in 10 Jahren zurückverdient haben wird. "Das Geld haben wir teilweise selbst, teilweise werden wir es uns vom Kapitalmarkt holen", erklärte Schmidt. "Wenn die RCA investiert, dann ist das Geld, das wir selbst verdienen", betonte der RCA-Chef. "Unsere Investitionen müssen sich wie bei anderen Unternehmen rechnen."

Beschäftigungsgarantie
Auch die Kritik an der Beschäftigungsgarantie für die rund 3.500 Mitarbeiter der MAV Cargo geht nach Ansicht von Schmid ins Leere: "Wir wollen wachsen und wir brauchen die Leute dort." Die MAV Cargo habe keinen so hohen Restrukturierungsbedarf wie manche anderen Bahnen.

Die MAV Cargo Zrt. entstand am 1. Jänner 2006 durch die Ausgliederung der Güterverkehrssparte aus den ungarischen Staatsbahnen. Am 29. Mai 2007 wurde das gesamte Unternehmen zur Privatisierung ausgeschrieben - aus dem mehrstufigen Bieterverfahren ging schließlich ein Konsortium der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria (RCA) und der Raaber Bahn (Raab-Ödenburg-Ebenfurter Eisenbahn, ROeEE) am 27. November 2007 als Sieger hervor.

MAV-Umsatz: 352,4 Mio. €
Die MAV Cargo hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 352,4 Mio. Euro und einen Gewinn nach Steuern in Höhe von 10,5 Mio. Euro erwirtschaftet. Mit einer Beförderungsleistung von 9,3 Mrd. Tonnenkilometern kam die MAV Cargo in Ungarn nach eigenen Angaben auf einen Marktanteil von 92,2 Prozent. Ende 2006 beschäftigte das Unternehmen 3.170 Mitarbeiter, die nach der Übernahme durch die ÖBB weiter beschäftigt werden sollen.

Transportvolumen: 47 Mio. Tonnen
Mit einem jährlichen Transportvolumen von knapp 47 Millionen Tonnen gehört die MAV Cargo zu den kleineren Bahn-Güterbeförderern in Mitteleuropa. Die Rail Cargo Austria befördert etwa 100 Mio. Tonnen Güter pro Jahr - in Tonnenkilometer pro Jahr umgerechnet wird die RCA künftig zusammen mit ihrer Neuerwerbung MAV Cargo auf 28,2 Mrd. Tonnenkilometer kommen und damit die italienische Ferrovie dello Stato (FS, 22,9 Milliarden) überholen. Der mit Abstand größte Player ist die Deutsche Bahn mit ihrer Güterverkehrstochter Railion (102,8 Mrd. Tonnenkilometer).

Die aus der Güterverkehr-Sparte der ÖBB hervorgegangene Rail Cargo Austria ist seit 1. Jänner 2005 ein eigenständiges Unternehmen. Das 2006 beförderte Güterverkehrsaufkommen (inkl. Transport-Logistik und Kraftwagengüterverkehr) betrug 92,7 Mio. Tonnen (+6 Prozent). In Summe erwirtschaftete die RCA 2006 mit 8.237 Mitarbeitern Gesamterträge in Höhe von 2,252 Mrd. Euro. Der Gesamtertrag pro Mitarbeiter betrug nach eigenen Angaben 273.000 Euro - damit gehört die RCA zu den effizientesten Bahn-Transporteuren in der Region. Die MAV Cargo beziffert ihren Ertrag pro Mitarbeiter mit 116.000 Euro.

Die Rail Cargo Austria verfügt über die Speditions Holding bereits über ein großflächiges Logistik-Netz in Osteuropa. Insgesamt ist das Unternehmen in 23 Ländern Europas aktiv. Einige der zahlreichen Tochterfirmen, etwa die Intercontainer Austria oder die Ökombi, führen auch schon Züge quer durch Europa. Der Eisenbahn-Güterverkehr eines ganzes Landes stand bisher aber noch nicht auf der ÖBB-Beteiligungsliste.

(apa/red)