12. Februar 1934: Blutiger Bürgerkrieg in Österreich

Dollfuß-Regime schaltete mit Heer, Polizei und Heimwehren die Sozialdemokratie aus Abschluß einer Spirale der Gewalt seit 1927

Tatsächlich bildeten die Ereignisse des Februar 1934 aber weniger den Beginn als vielmehr den Abschluß einer langfristigen Entwicklung. Dollfuß, der sich seit Herbst 1932 des "Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes" des Jahres 1917 bediente, hatte sich längst auf einen autoritären Kurs festgelegt und der Unterstützung der Heimwehren versichert.

Schattendorf
Die Weltwirtschaftskrise und die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit hatten schon zuvor das ihrige zur Radikalisierung der innenpolitischen Landschaft beigetragen und in der Aufrüstung der politischen Kampfverbände Schutzbund und Heimwehr, den Todesschüssen von Schattendorf und dem daraus folgenden Fanal des Justizpalastbrandes 1927 ihren Niederschlag gefunden.

"Selbstauflösung"
Seit dem 15. März 1933, als Dollfuß den Zusammentritt des Nationalrats nach der "Selbstauflösung" mit Polizeigewalt verhindern hatte lassen, war Österreich keine parlamentarische Republik mehr.

Mussolini drängt auf Kampf gegen Sozialdemokratie
In der Folge war man an die planmäßige Ausschaltung jeglicher Opposition gegangen. Dahinter stand vor allem das Drängen des "Duce" Benito Mussolini, endlich die Sozialdemokratie als letztes Hindernis zur Errichtung eines austro-faschistischen Staates auszuschalten. Dollfuß' Bündnis mit den von Mussolini unterstützten Heimwehren hatte zu einer starken Bindung an das faschistische Italien geführt, von dem sich der österreichische Regierungschef auch Schutz vor den Territorial-Ansprüchen Hitlers versprach, den er sich spätestens mit dem Verbot der NSDAP im Juni 1933 zum Feind gemacht hatte.

Mussolinis Preis war die totale Ausschaltung der Linken. Deren Kampfverband, den Republikanischen Schutzbund, hatte Dollfuß wie auch die KPÖ bereits im Lauf des Jahres 1933 verbieten lassen.

Im Jänner 1934 erreichte die seit Monaten andauernde Welle nationalsozialistischer Terroranschläge trotz einer vorangegangenen Weihnachtsamnestie einen neuen Höhepunkt.

Gleichzeitig drängte "Schutzherr" Mussolini Dollfuß einmal mehr zu radikalem Handeln gegen die Sozialdemokraten. Am 18. Jänner rief dieser aber in einer Rede im Christlichsozialen Abgeordnetenklub die "ehrlichen Arbeiterführer" zur Zusammenarbeit im Kampf um die Unabhängigkeit Österreichs auf. Die Sozialdemokraten, verbittert durch unzählige Provokationen der Regierung, zuletzt das Verbot des öffentlichen Verkaufs der "Arbeiter-Zeitung", lehnten jedoch ab. Es folgten Durchsuchungen sozialdemokratischer Parteiheime und Privatwohnungen, viele Funktionäre des nun illegalen Schutzbundes wurden verhaftet.

Für die Heimwehr, deren Führer Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg erst kurz zuvor, am 10. Jänner, in einem Aufruf "die uneingeschränkte Durchsetzung der faschistischen Ideenwelt in einer unserem Vaterland entsprechenden Weise" zum Ziel erklärt hatte, war der Kampf gegen die Sozialdemokratie eine Selbstverständlichkeit. Mahnende Stimmen wie die des christlichsozialen Wiener Gemeinderatsabgeordneten Leopold Kunschak blieben ungehört.

Am 11. Februar kündigte der Vizekanzler und Wiener Heimwehrführer Emil Fey in einer Heimwehrversammlung an: "Wir werden morgen an die Arbeit gehen und wir werden ganze Arbeit leisten." Für diesen Tag war im Zuge der planmäßigen Waffensuchen das Linzer Arbeiterheim, eben das "Hotel Schiff", vorgesehen.

Heer & Artillerie gegen Arbeiter
Der oberösterreichische SDAP-Parteisekretär Richard Bernaschek hatte von den Plänen erfahren und sich zum Widerstand entschlossen. Versuche des Parteichefs Otto Bauer, ihn davon abzubringen, scheiterten. Als die Polizei am Morgen des 12. Februar gewaltsam in das "Schiff" eindrang, schossen die Schutzbündler zurück. Darauf hatten Heimwehr und Regierung nur gewartet: Die Polizei erhielt Unterstützung durch das Bundesheer und "eroberte" das Arbeiterheim innerhalb weniger Stunden.

Nun reagierte auch die SDAP, die zuvor gezögert hatte, und beschloß, Widerstand zu leisten, allerdings offenkundig zu spät. Der Bürgerkrieg begann, die Sozialdemokraten riefen den Generalstreik aus und Teile des Schutzbundes traten vor allem in Wien und Teilen Ober- und Niederösterreichs, der Steiermark und Tirol zum Kampf an. Die Regierung verhängte das Standrecht und bot Heimwehr, Polizei und Bundesheer auf, das auch Artillerie einsetzte.

In Wien waren vor allem Arbeiterheime und Gemeindebauten Zentren der Kämpfe. Sie wurden massiv beschossen. Polizei und Heer riegelten die Innenstadt ab, der sozialdemokratische Bürgermeister Karl Seitz wurde abgesetzt und verhaftet, die SDAP für aufgelöst erklärt. Die Sozialdemokraten erwiesen sich aber als schlecht organisiert, der Schutzbund mußte über weite Strecken von der Parteiführung abgeschnitten agieren.

Letztlich griff auch der Streik nicht, lediglich die Stromversorgung und der öffentliche Verkehr in Wien wurde lahmgelegt. Der Widerstand der Schutzbündler in den großen Gemeindebauhöfen wie dem Karl-Marx-Hof, dem Goethe-Hof oder dem Reumannhof wie auch den Arbeiterheimen in Ottakring und Floridsdorf wurde nach drei Tagen blutiger Kämpfe schließlich von der überlegenen Feuerkraft des Bundesheeres gebrochen.

Das Regime griff durch: 21 Anführer der Aufständischen wurden zum Tod verurteilt, neun von ihnen, darunter Georg Weissel, Karl Münichreiter und der oberösterreichische Schutzbundführer Koloman Wallisch, standrechtlich gehenkt. Tausende Verhaftete wurden im Lager Wöllersdorf und anderen Anhaltelagern interniert. Otto Bauer und Julius Deutsch war die Flucht in die Tschechoslowakei gelungen, wo sie in Brünn die Zentrale der "Revolutionären Sozialisten" einrichteten und die "Arbeiter-Zeitung" herausbrachten, die dann nach Österreich geschmuggelt wurde.

Pyrrhussieg Dollfuß' ebnete Weg für die Nazis
Dollfuß machte inzwischen ganze Arbeit: Er verfügte die Annullierung der sozialdemokratischen Mandate und die Beschlagnahme sämtlicher Vermögenswerte der Partei. Am 2. März wurde die Errichtung einer Einheitsgewerkschaft verordnet. Die "Verfassung 1934" wurde am 24. April erlassen und am 1. Mai verkündet. Damit war der Ständestaat und das Ende der parlamentarischen Demokratie besiegelt. Für Dollfuß war es jedoch ein Pyrrhussieg: Außer den illegalen Nationalsozialisten traten nun illegale Gruppen der Sozialdemokraten, der revolutionären Sozialisten und auch der KPÖ immer wieder in Aktion.

Im Mai und Juni setzte eine neue Welle des Nazi-Terrors in Österreich ein, am 25. Juli schließlich drang im Zuge eines aus München gelenkten Putschversuches ein illegales SS-Kommando in Bundesheer- und Polizeiuniformen in das Bundeskanzleramt ein. Der Putsch mißlang, Dollfuß aber wurde erschossen. Sein Vorgehen während der Februar-Tage 1934 sollte aber auch seinen Nachfolger, Kurt Schuschnigg, des wichtigsten potentiellen Verbündeten gegen die immer vehementer werdende Bedrohung des Nationalsozialismus berauben, der nun unversöhnlichen Sozialdemokratie. Ein innerlich zerrissenes Österreich konnte dem Ansturm der braunen Flut nicht gewachsen sein.
(apa, red)