Glücklich mit 100

Sie haben Kriege überlebt und sind schon mehr als hundert Jahre alt.

Sie haben Kriege überlebt und sind schon mehr als hundert Jahre alt. Für das neue Jahr haben diese Menschen keine Wunschlisten mehr. Was sie sich erhoffen: Gesundheit und noch etwas Zeit mit der Familie.

von Glücklich mit 100 © Bild: Stefan Gergely

Eine Reise in die Karibik, eine Gehaltserhöhung, fünf Kilo abnehmen, den Traumpartner finden. Solche Erwartungen haben viele Menschen an das neue Jahr. Aber was wünscht sich jemand, der schon so lange auf der Welt ist, dass er zwei Weltkriege und all die Veränderungen der letzten hundert Jahre miterlebt hat?

Zum Beispiel Werner Neugebauer. Als er am 17. Dezember 1913 als Sohn eines deutschsprachigen Buchhändlers in Prag geboren wurde, herrschte Kaiser Franz Joseph I. über das Habsburgerreich. Als Bub spazierte er mit seinem Kinderfräulein durch die Stadt und küsste den Freundinnen seiner Mutter die Hand. Wenn der Vater die Weihnachtsfotos machte, musste er zuerst das Blitzlicht an einer Schnur am Plafond aufhängen und anzünden.

Jeden Tag eine Stunde zu Fuß

Nach dem Ersten Weltkrieg wanderte die Familie nach Salzburg aus, Werner Neugebauer absolvierte eine Buchhändlerlehre. Nur ein Jahr nachdem er ein eigenes Geschäft in Linz übernommen hatte, musste er als Soldat an die Front. Er überlebte Krieg und Gefangenschaft, kehrte heim, konnte sein Geschäft weiterführen und heiratete. Mit seiner -mittlerweile verstorbenen -Frau hatte er drei Kinder. Inzwischen sind acht Enkel und vier Urenkel dazugekommen. Gesundheit, das wünscht sich Neugebauer für 2016. "Ich möchte ohne wesentliche Krankheiten weiterleben können." Um das zu schaffen, geht er jeden Tag eine Stunde zu Fuß. Bei schönem Wetter im Garten, bei schlechtem in seiner Wohnung mit Betreuung im Haus für Senioren des Diakoniewerks Linz. Er hat ein Konzertabo, trifft Freunde, wärmt das Essen, das seine Betreuerin kocht, und wäscht das Geschirr selbst ab. "Alles, was ich nicht mehr mache, verschwindet in meinem Alter schnell", sagt er. "Das will ich nicht."

Gesund bleiben möchte auch Leopoldine Geriewitsch im neuen Jahr. "Dass man noch gehen kann, ist wichtig", sagt sie und schiebt energisch ihren Rollator vorwärts. Nicht selbstverständlich für eine 104-Jährige. Die Älteste von sieben Kindern einer Bauernfamilie aus der Südoststeiermark musste schon jung als Magd arbeiten, später war sie Aufräumerin in der Sparkasse. Mit ihrem Mann Anton, einem Müller, war sie bis zu dessen Tod 52 Jahre glücklich verheiratet. Die beiden machten sogar eine Weltreise mit dem Schiff. Ihre einzige Tochter und die zwei Enkelinnen leben in Frankreich. Oft sehen sie einander nicht, für Leopoldine Geriewitsch ist das aber kein Grund zur Bitterkeit. "Sie war schon immer ein fröhlicher, zufriedener Mensch", sagt ihr jüngster Bruder, Gottfried, auch er ist schon 90 Jahre alt.

»Nix tun, das ist nix für mich.«

Schwester Gerda Buchsbaum von der Schwesternschaft der Diakonissen bekommt dagegen oft Besuch von ihrem Neffen und dessen Familie. So soll es bleiben, das ist ihr einziger Wunsch für 2016. "Es ist schön, wenn jemand von der Familie bei mir ist", sagt sie. Geboren 1914 in Villach, absolvierte sie die Hotelfachschule, arbeitete während des Krieges in einem Pflegeheim und trat mit Anfang 30 in die Schwesternschaft ein. Bis sie 70 war, leitete sie ein Gästehaus des Diakoniewerks, selbst jetzt, mit 101 Jahren, hilft sie noch in der Küche, zum Beispiel beim Äpfelschälen. "Nix tun, das ist nix für mich", sagt sie.

Was sie mit Leopoldine Geriewitsch und Werner Neugebauer verbindet, ist ihre Ausgeglichenheit. Eine Eigenschaft, die sich auch im Ergebnis einer Studie der Universität Heidelberg wiederfindet. Demnach haben Hundertjährige eine höhere Lebenszufriedenheit als 80-bis 95-Jährige und eine fast ebenso hohe wie 65-bis 79-Jährige. Eine mögliche Erklärung: Wer sich die Zuversicht bewahrt, bleibt länger am Leben.

Leopoldine Geriewitsch

Glücklich mit 100
© Stefan Gergely

104 Jahre: Aufgewachsen ist sie auf dem elterlichen Bauernhof in der Südoststeiermark als Älteste von sieben Geschwistern. Nach dem Krieg ging sie täglich zu Fuß zur Arbeit, um das Geld für den Bus zu sparen. Ihr Zimmer im Haus am Ruckerlberg des Diakoniewerks in Graz ist mit Fotos ihrer Enkelinnen und Blumen geschmückt. "Am liebsten mag ich rosa Rosen", sagt Geriewitsch.

Gerda Buchsbaum

Glücklich mit 100
© Stefan Gergely

101 Jahre alt: Schon als Mädchen wollte die gebürtige Villacherin der Schwesternschaft der Diakonissen beitreten, aber ihre Mutter war dagegen. Daher machte sie zuerst die Hotelfachschule und die Ausbildung zur Pflegerin, bevor sie mit Anfang 30 in die Schwesternschaft eintrat. Jetzt lebt sie in einer Hausgemeinschaft des Diakoniewerks in Gallneukirchen in Oberösterreich. Das genießt sie, weil sie nicht alleine sein muss.

Werner Neugebauer

Glücklich mit 100
© Stefan Gergely

102 Jahre alt. Geboren wurde Werner Neugebauer 1913 in Prag, nach dem Ersten Weltkrieg zog seine Familie nach Österreich. Der begeisterte Bergsteiger erklomm sogar den Mont Blanc. Bis zum 70. Lebensjahr ging er noch in die Berge und arbeitete in seiner eigenen Buchhandlung in Linz. Nach einer Wirbelsäulen-OP mit 97 machte Werner Neugebauer in der Reha so konsequent seine Übungen, dass er nach sechs Wochen wieder nach Hause durfte.

1400 Hundertjährige leben in Österreich. Die meisten weltweit, 60.000, gibt es in Japan. Gründe für die hohe Lebenserwartung sind die Ernährung und das Gesundheitsbewusstsein der Japaner.

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