Zwischen Moldau und Mauretanien

Österreich hat sich in den 22 Existenzjahren des Rankings zur Pressefreiheit von Platz 26 (2002) auf Rang 5 (2012) vorgeschoben und ist nun auf Position 32 zurückzufallen. Die Reihung wirkt hinterfragbar, die Wertung als Wink mit dem Zaunpfahl

von Medien & Menschen - Zwischen Moldau und Mauretanien © Bild: Gleissfoto

Hier klar hinter Kolumbien und knapp vor Katar, dort zwischen Moldau und Mauretanien: Was bei Platz 24 der Fußball-Weltrangliste kaum jemanden stört, regt an Position 32 im globalen Pressefreiheit-Ranking viele auf. Der sportliche Rückstand auf insgesamt vermeintlich unterlegene Staaten muss hingenommen werden, nicht aber ihre angebliche Gleichrangigkeit in gesellschaftlichen Standards.

Das ist zugleich Stärke und Schwäche der von Reporter ohne Grenzen (ROG) erstellten Reihung. Ihre Rangordnung wirkt zum Teil vollkommen unplausibel, sollte aber gerade dadurch die in schlechte Gesellschaft Geratenen aufrütteln. Die Grundlage der Liste ist ein weltweit einheitlicher, überaus differenzierter Fragebogen mit 123 einzelnen Erkundungen. Doch die Wertung stammt durchwegs von einheimischen Experten. Österreichs schlechtestes Abschneiden seit Einführung 2002 ist also ein Selbstbild – zumindest jener von ROG geheim gehaltenen Sachkundigen, die befragt wurden.

Kritiker wie „OÖN“-Innenpolitiker Christoph Kotanko stört diese mangelnde Transparenz der Erhebung und der „Hochmut“ ihrer Veranstalter. Der ROG-Österreich-Präsident, Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell, hingegen meint: „Das sollten wir auf öffentlicher Bühne ausdiskutieren. Freue mich sehr darauf.“ Er entgegnet so der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger, die behauptet, „mit seriöser Recherche oder gar Wissenschaft hat das leider nix zu tun“. ROG-Austria-Vize Erhard Stackl empfiehlt, „die Ergebnisse vor allem im regionalen und zeitlichen Zusammenhang zu lesen. Die gesamte Auflistung der wie geschildert entstandenen Länderbewertungen sollte nicht überinterpretiert werden“.

Dieser Wunsch ist naiv. Ein Ranking dient grundsätzlich dazu, dass sich die Gelisteten vergleichen und das Publikum sich an Abstürzen und Aufstiegen ergötzt. Das wird auf populärerem Terrain diese Woche beim Song Contest deutlich. So bleibt es auch im regionalen Zusammenhang unverständlich, warum Deutschland und Luxemburg sich um elf bzw. neun Ränge auf Platz 10 und 11 hinter der Schweiz verbessert haben
sollten. Dort dürfte eher intern bei (der) ROG(-Befragung) etwas geschehen sein als mit der Pressefreiheit. So wie Österreich den stärksten Absturz von 17 auf 31 ausgerechnet 2022 erlebte, als Hausjell der gestorbenen Präsidentin Rubina Möhring folgte. Er wirkt – via X – in der tagesaktuellen Medien- und Medienpolitik-Kritik viel präsenter als seine Vorgängerin.

Die öffentliche Wahrnehmung dieser beiden als Linke ist ein kaum ausgesprochener Angriffspunkt gegen das Ranking. Denn eine explizite Kritik solcher Art würde eine Grundlage von Österreich erschüttern, weil sie beinhaltet, dass Parteinähe Sachurteile beeinträchtigt. Auch deshalb sind die Einwürfe von profiliert unabhängigen Journalisten wichtig. Der mittlerweile freie Schreiber Georg Renner nennt drei Punkte: „Dieses Ranking ist eher absurd. Österreich ist weltweit gesehen ganz o. k. in Sachen Pressefreiheit. Es gibt Zustände und Entwicklungen, die dringend verbessert gehören.“ „ZiB2“-Moderator Martin Thür spitzt es zu: „Man kann übrigens gerne das Ranking doof finden, ich hab da keinerlei Emotion. Aber diese Gegenbewegung, die alles in rot-weiß-roter Weinseligkeit tunkt, ist mir auch ein wenig suspekt.“

Thür erklärt auf X seine Position: „Gut, wenn selbst der Besuch der Polizei daheim und die Abnahme des Laptops tippitoppi sind, wundert es mich nicht, dass man so partout kein Pressefreiheitsproblem erkennen will.“ Er bezieht sich damit auf einen Übergriff gegen den Journalisten Franz Miklautz. Die Wertung solcher Einzelfälle beeinflusst ebenso das Ranking wie die Einschätzung, ob das Ende von „Wiener Zeitung“ und „OÖ Volksblatt“ auf Papier einen Verlust an Medienvielfalt bedeuten und die mangelnde ORF-Gesetzesreparatur in Sachen Stiftungsrat zu viel Regierungsabhängigkeit bewirkt.

Ein Blick über die Grenzen zeigt heftigere solche Tendenzen. In Slowenien (42.) hat sich die Lage nach Ablöse des Viktor Orbán nahen Janez Janša durch den grünliberalen Robert Golob gebessert. Doch im Schatten von Ungarn (67.) beschloss die slowakische (29.) Regierung von Robert Fico die Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Unterdessen streikten in Italien (46.) die Journalisten der RAI gegen Versuche der Koalition unter Giorgia Meloni, das Medienhaus in ihr Sprachrohr zu verwandeln. Und in der Schweiz ist SRG-Chef Gilles Marchand wegen einer Halbierungsinitiative zur Haushaltsabgabe auf umgerechnet 205 Euro zurückgetreten (in Österreich mit 183,60 ohnehin schon deutlich geringer).

Nun haben wir einerseits zwar keine solche Demissionskultur, aber andererseits offenbar eine deutlich kritischere Selbstsicht für die ROG-Listung als die Experten in der Schweiz und Deutschland. Denn viel besser wirkt ihre Situation nicht. Und die Lage in den USA (55.) und Japan (70.) erscheint auch kaum so schlecht, wie ihre Position hinter fragwürdigen Regimen andeutet. Fazit: Die Reihung ist zwar Quatsch, wie auch manch anderes globales Ranking, doch die Abwertung ein wichtiger Wink mit dem Zaunpfahl.